Teilprojekt A06 — Versicherheitlichung und Diskurse über Rechte
von Minderheiten und Mehrheiten in Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert
3. Förderphase (2022-2025)
Seit dem Aufstieg konkurrierender nationaler Bewegungen wurden die multinationalen und multisprachlichen Grenzgebiete der Imperien im östlichen Europa seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend als Unsicherheitsräume wahrgenommen, nicht zuletzt weil Konflikte mit verschiedenen nationalen Gruppen zunehmend in Gewalt eskalierten: Je nach Akteursperspektive (Behörden, politische Aktivisten, Expertengruppen) kam es zur Konzeptualisierung und Imagination solcher Gebiete als von Konflikten zerrissen, als unzureichend verwaltet und durch Irredentismus gefährdet. Im Umfeld der Weltkriege und in deren Nachwirkungen wurden sie letztlich als Sicherheitsrisiko in den Neukonzipierungen (zwischen-)staatlicher Konstruktionsprinzipien wahrgenommen. Innerhalb der versicherheitlichenden Diskurse spielten vor allem Minderheitenrechte eine zentrale Rolle.
Aufbauend auf den Befunden der Teilprojekte A06 sowie B03 (religiöse Minderheiten) der ersten und zweiten Förderphase widmet sich das Teilprojekt nun den Wechselwirkungen zwischen Sicherheitsvorstellungen und sprachenpolitischen Programmatiken und Maßnahmen in einer Phase dynamischer Industrialisierung und Urbanisierung. Am Beispiel dreier ostmitteleuropäischer Industriestädte (Pilsen, Drohobytsch, Lodz) fragt es danach, wie und von wem städtische Sprachenvielfalt zwischen 1860 und 1918 versicherheitlicht wurde. Hierbei untersucht A06 Debatten über Sprachenrecht und Sprachengerechtigkeit vor Ort und will einen Beitrag zum Verständnis der Wechselwirkungen von kultureller Ausdifferenzierung und Intersektionalität von sozialen Kategorien im Prozess der Versicherheitlichung und deren Beitrag zur Identitätsbildung liefern.